Ein ernstes Thema

Ich habe lange ûberlegt, ob ich dieses Thema zur Sprache bringe. Es ist privat. Sehr privat. Eigentlich zu privat für die Öffentlichkeit. Und dennoch kann es uns Langfahrtseglern begegnen. Obwohl wir immer wissen, dass es passieren kann und die theoretische Möglichkeit im Hinterkopf haben, trifft es einen unvorbereitet. Die schwere Erkrankung eines Familienangehörigen.

Schon seit einigen Tagen begleitet uns diese dunkle Wolke. Nun wird es ernst, Reiner muss nach Hause. Wie man sich denken kann, möglichst schnell.

Noch bis zur letzten Woche wäre das alles kein Problem gewesen. Wir hatten einen bezahlbaren Platz in einer guten Marina, Innerhalb von 24 Stunden wären wir beide in Bonn gewesen. Heute, 150 sm weiter südlich sieht das anders aus. Wir liegen am Anker, die Marina gegenüber ist voll. In Miami findet eine große Boatshow statt, alles ist ausgebucht und zudem wahnsinnig teuer.

Neben der emotionalen Achterbahnfahrt kommt die Frage auf, wohin mit dem Schiff. Die einzig machbare Lösung erscheint uns, möglichst zügig in die Bahamas an einen sicheren Ankerplatz zu kommen, wo ich in direkter Nähe zu Freunden auf dem Schiff bleiben werde. Reiner fliegt alleine.

Und wie sollte es anders sein, der Wind spielt nicht so schnell mit, wie wir das gerne hätten. Erst ab Mittwoch finden wir eine Lücke, die sehr leichten Wind mit sich bringt. Noch nie haben wir uns so über eine Flaute gefreut. Wir werden dann im wahrsten Sinne des Wortes Gas geben und hoffen, dass wir möglichst schnell an unser Ziel in den Exumas kommen. Anfang der kommenden Woche kann Reiner dann nach Hause.

Es sind quälende Tage, die sich hinziehen wie Kaugummi, da man hier sitzt und abwarten muss. Obwohl man doch eigentlich lieber ganz woanders wäre.

Wir machen die Erfahrung, dass Kommunikationsmittel extrem wichtig für uns sind. Mit ortsüblichen Simkarten für das Telefon, sind wir an fast jedem Ort erreichbar. Wir machen aber auch die Erfahrung, dass es zwar für mich einfach wäre, sofort nach Hause zu fliegen, für Reiner jedoch nicht. Ich kann das Schiff nicht alleine in die Bahamas segeln. Selbst alleine am Anker liegen für eine längeren Zeitraum, würde ich mir ohne erreichbare Hilfe nicht zutrauen. Was passiert, wenn es plötzlich stürmt und der Anker ins Rutschen kommt?

Ich habe bis jetzt keine Ahnung, wie der Wassermacher bedient wird und wie der Generator im Detail tickt. Das alles muss und werde ich jetzt im Schnelldurchlauf lernen. Warum habe ich mich damit nicht längst beschäftigt? Es war ja nicht nötig, Reiner macht schon….. Ich kann das Schiff nachts alleine segeln, navigieren, funken, Segel reffen, steuern, usw. Die technischen Feinheiten beherrsche ich nicht.

Und Reiner? Der muss loslassen. Nicht nur zu Hause, sondern auch mich mit dem Schiff.

Niemand macht sich über solche Dinge gerne Gedanken. Man sollte es dennoch tun. Was wäre wenn? Kann jeder alles bedienen? Ist uns klar was es bedeutet, dass zumindest uns Frauen alleine rein körperlich Grenzen gesetzt sind? Und dass wir bei aller Vorbereitung eben doch durch widrige Umstände nicht da sein können, wo wir vielleicht sein wollen?

Wir werden niemals auf alles vorbereitet sein. Das ist das Leben. Wir Fahrtensegler wollen Freiheit und Unabhängigkeit. Aber wir müssen im Zweifel auch den Preis dafür zahlen.

Ich schreibe diese Zeilen, weil diese inzwischen nicht nur von Familie und Freunden gelesen werden, sondern auch von vielen Seglern, die unterwegs sind oder sich auf eine Reise vorbereiten. Ich will niemanden entmutigen. Aber es ist eine Erfahrung, die nun mal zu unserem selbst gewählten Leben dazu gehört und damit auch in diesen Blog.

3 Kommentare

  1. SY Flora

    Danke für diesen Post. Gedanken, dass sich so eine Notwendigkeit ergeben kann, macht man sich ja schon. Aber die Konsequenz daraus, dass es vermutlich nicht am idealen Ort erforderlich wird, hatten jedenfalls wir bisher noch nicht zu Ende gedacht. Ein ganz wichtiger Anstoß. Wir wünschen Euch, dass Ihr diese schwierige Zeit so gut wie möglich bewältigen könnt.
    Wiebke und Ralf

    • Beate

      Danke für Eure netten Worte. Habe lange überlegt, ob ich das schreiben soll….
      Wir müssen jetzt erstmal schnell über den dusseligen Strom. Dann sehen wir weiter.

      Lg von den Balous

  2. Margti + Jo

    Liebe Balou,
    diese „schwarze Wolke“ schwebt über jedem der fern der Heimat unterwegs ist.
    Bei uns ist es diese Wolke die uns noch davon abhält Panama zu queren.
    Wir drücken Euch die Daumen, dass alles gut ausgeht.
    Wenn wir euch unterstützen können – wir sind ja auch auf dem Weg in die Exumas – lasst es uns wissen.

    Liebe Grüße
    Margit + Jo
    SY KYLA

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