Tag: 16. November 2017

Motorscheiß

Man sollte sich beim Segeln nie zu früh darüber auslassen, dass etwas gut läuft. Der Teufel sitzt hinter der nächsten Ecke.

Kurz nachdem ich den letzten Bericht geschrieben habe, legt der Wind nochmal ordentlich zu. Da er von hinten kommt, ist das kein Problem. Im Laufe der Nacht reffen wir die Segel auf die Größe zweier Badelaken und sind trotzdem sehr schnell. Schneller, als die Worlddancer hinter uns, so dass wir nach kurzer Zeit aus dem UKW- Funkbereich kommen. Wir verabreden, zu festen Zeiten über die Kurzwelle zu funken.

Während der ganzen Nacht haben wir kräftige Böen zwischen 30-35 kn. Noch viel kleiner wollen wir die Segel nicht machen, Geschwindigkeit bringt Stabilität. Es geht ganz gut so, viel Wind kann unser Schiff. Wenig eher nicht. Und damit kommen wir zum Thema des Tages.

Im Laufe des Nachmittages schläft der Wind ein. Soweit, dass wir kaum noch vorwärts kommen. Also muss der Motor laufen. Noch 120 sm bis St. Augustine. 5 min. nach dem Starten gibt es einen Überhitzungsalarm. ????Man muss dazu sagen, dass uns unser Motor noch nie, nicht ein einziges Mal, im Stich gelassen hat. Wenn Zuverlässigkeit einen Namen hätte, hieße sie Yanmar-Balou.

Motor aus. Ein Blick in die Motorhöhle offenbart einen kaputten Kühlwasserschlauch. Na ja, sowas kann man leicht beheben. Reiner flickt das Ding, neues Kühlwasser wird aufgefüllt und starten. Nach 3 min. Alarm. Im Leerlauf geht der Pfeifton nach kurzer Zeit aus, unter Fahrt wieder an. Ratlosigkeit macht sich breit. Wind zum Segeln haben wir nicht, laut Vorhersage kommt auch sobald keiner. Nach etlichen hilflosen Versuchen fällt die Entscheidung, uns in die nächste Marina schleppen zu lassen. Savannah liegt vor uns, das müsste klappen.

Müsste, tut es aber nicht. Die Dame in der Zentrale eines Abschleppservices stellt fest, dass sie in dieser Ecke nicht vertreten sind. Sie würde jedoch die Coastguard benachrichtigen, die würden das übernehmen. Die Worlddancer erreichen wir nach wie vor nicht über die UKW-Funke, auf dem AIS sind sie nicht zu sehen.

Kurz darauf werden wir von der Coastguard angefunkt. Nachdem wir tausend Fragen beantwortet haben erklären Sie uns, dass sie leider kein Boot haben um uns abzuschleppen. Sie sind zwar sehr freundlich, fragen uns, ob wir genug zu essen und zu trinken haben und ob es uns gut geht, aber schleppen können sie nicht. Sie bieten uns an, vor der Küste den Anker zu werfen. Eine großartige Idee. An der offenen Atlantikküste wollte ich schon immer mal ankern……????

Im Moment fällt uns aber auch nichts besseres ein, also dümpeln wir in Richtung Fahrwasser, um rechts daneben den Anker zu werfen. Nun nimmt der Wind wieder zu und damit auch die Welle. Alle 30 min. werden wir von der Coastguard gefragt, ob es uns gut geht. Hilfe kommt leider nicht. Es ist mittlerweile dunkel. Mit dem etwas auffrischenden Wind beschließen wir, nicht die Nacht am Anker in der Dünung zu verbringen. Vielleicht können wir langsam weitersegeln.

Das teilen wir der Coastguard mit, die langsam anfängt, mich zu nerven. Alle 30 min. funken Sie uns an. Wenn sowieso keiner hilft, kann man sich das auch sparen.
Es kommt wie es kommen muss, der Wind schläft wieder ein. Wir treiben mehr, als wir segeln. Die Worlddancer, die wir wie verabredet um 20.00 Uhr erreichen, ist mittlerweile weit vor uns und somit auch nicht in Schleppnähe. So macht das keinen Sinn.

Aber Reiner wäre nicht Reiner, wenn ihm nicht irgendwann was einfallen würde. Im Ausschlussverfahren geht er der Sache auf die Spur. Er trennt unsere Wasserkreisläufe von Boiler und Heizung. Das funktioniert. Den genauen Fehler haben wir (noch) nicht gefunden, aber offensichtlich überbrückt.

 

 

Nun läuft er wieder. provisorisch repariert und wird hoffentlich bis St. Augustine durchhalten. Die Worlddancer hat auf uns gewartet und ist jetzt wieder in der Nähe und somit jederzeit über das normale Funkgerät zu erreichen. Daumen drücken, dass es hält.

Freitag, 13.00 Uhr, 30 sm to go.

Rauschefahrt in Richtung Süd

Am Sonntagmorgen um 6.30 Uhr klingelt der Wecker. Es ist noch nicht ganz hell, Außentemperatur -1 Grad.

Bei Minusgraden sind wir noch nie gesegelt. Dementsprechend habe ich auch noch nie soviel Klamotten übereinander gezogen. Im Ergebnis sehen wir aus wie zwei Michellinmännchen, aber es hilft. Uns ist sogar warm. Die Luft ist wunderbar klar. Nachdem sich die Sonne durch den Morgendunst gekämpft hat, liege ich auf dem Deck und finde „Wintersegeln“ eigentlich ganz schön.

Gut, wir haben den Vorteil eine Kuchenbude zu besitzen und neben der Standheizung eine Heizung, die sich mit der Motorwärme betreiben lässt. Unten ist es kuschelig warm.

So motoren wir wie vorhergesehen bei Flaute den Chesapeake in Richtung Ausgang. Der Strom läuft mit und wir sind schon am Mittag an der Durchfahrt zum Atlantik. Der Tag bleibt ruhig und wir tuckern südwärts. Cape Hatteras liegt am Montagmorgen vor uns. Die See ist ruhig. Ca. 1 Stunde vor Erreichen der Spitze, legt plötzlich einer den Schalter um. Von 7 auf 30 Knoten Wind. ???? Was ist das? Der Wind sollte erst am Abend kommen….

In wenigen Minuten wird die See kabbelig. Gott sei Dank kommt der Wind von hinten. Also schnell die Segel raus und weg hier. Mit Segeln sind wir immer schneller bei dem Wind. Wir bekommen eine ungefähre Vorstellung davon, wie das Kap wohl bei anhaltendem Starkwind aussehen muss. Das will man definitiv nicht. Da wir großen Abstand zum Land haben, passiert aber nicht viel. Es wackelt etwas, aber wir kommen auch schnell weiter.

Wie es enden kann, wenn man sich nicht an die Empfehlung, sich weit von der Küste freizuhalten, hält, erleben wir live. Gestern Abend tönt ein “ Mayday Mayday“-Funkruf über UKW. ( Mayday bedeutet, Leib und Leben in Gefahr). Ein Amerikaner ist mit seinem Katamaran dicht an Land aufgelaufen. Er sitzt fest und spricht panisch von brechenden Wellen. Da er nicht weit von uns entfernt ist, verfolgen wir das Gespräch mit der Coastguard. Im Zweifelsfall muss man umkehren und Hilfe leisten. Es ist zwar kein Spaß bei Böen bis 30 kn gegenan zurückzufahren, aber natürlich würden wir das tun. Er kommt aber von alleine wieder frei und kann irgendwie mit beschädigtem Ruder die nächste Marina anlaufen.

Der Wind bleibt. Bis in die Nacht zum Dienstag braucht die Welle, um sich gut zu sortieren. Nachts schimpfe ich noch über rumfliegende Kohlköpfe, sich wie eine Splitterbombe verteilende Erdnüsse im Cockpit und einen blauen Fleck am Hintern, weil ich von der Bank fliege. Gegen Morgen kehrt dann Ruhe ein. Nun rauschen wir stabil mit 7-8 Knoten an der Küste entlang. Das Schiff ist nicht zu bremsen. Da die Wetterlage noch etwas anhalten soll, werden wir wohl noch etwas durchhalten. Konstanter Wind aus Nord mit um die 25 Knoten ist nicht so häufig. Das einzig Lästige an der Angelegenheit ist lediglich, dass die Nächte sehr lang und stockdunkel sind. Ab 17.30 wird es finster, erst gegen 6.30 Uhr taucht wieder Licht auf.

Leider verpassenden wir so aber auch einige schöne Orte, die ich gerne gesehen hätte. Aber wie heißt es immer: Never touch a running system. Kommen wir eben in St. Augustine an. Da ist es auch schön.